INULIN UND INSULIN
Wolfgang
Werner,Münster 1
Einzig
das „s“- unterscheidet beide Worte. Die jeweils bezeichneten Substanzen haben
keinerlei chemische Verwandtschaft. Die Etymologie führt zu den Vorkommen und
der Isolierung; also in die Geschichte der beiden Substanzen.
Inulin
Alant (inula
helenium) ist ein aus Zentralasien stammender
Korbblütler, der in Europa weit
verbreitet ist und schon in der Antike kulinarisch und als Heilpflanze
geschätzt wurde. Der knollig verdickte Wurzelstock wurde wegen des bitteren Geschmacks
nach dem römischen Koch Apicius (1. Jh. n. Chr.) als
Gewürz verwendet. Von der Heilpflanze
berichten Dioskurides (1. Jh
n. Chr.) und Plinius dem Ältere (23-79 n. Chr.) und
deren Verwendung als Mittel gegen Magenkrämpfe und Blähungen auch Husten war
sie geschätzt. Alantwurzel (Helenii radix) ist dank der sekretolytischen
Eigenschaften Bestandteil von manchen Hustensäften. Sesquiterpenlactone
verursachen den bitteren Geschmack.
Die Bezeichnung Inulin dem hat der
Berliner Apotheker Rose, der die Wurzel 1804 chemisch untersuchte einer darin
gefundenen Substanz gegeben und vom lateinischen Namen Inula
abgeleitet hat. Inulin (Abb.1) ist ein Reservestoff der Pflanze, und wird daher
auch als Alantstärke bezeichnet. Inulin ist ein Oligomer der Fructose und je
nach Kettenlänge (bis 100) mit einer endständigen Glucose mehr oder weniger
wasserlöslich. Die Ketten sind mit einem Glukosemolekül
abgeschlossen. Die aus Getreide und aus Kartoffeln gewonnene Stärke besteht aus
längeren Ketten von Glukose und ist unlöslich in Wasser.
Inzwischen ist die Auswahl der
Pflanzen, aus denen Inulin gewonnen werden kann, größer geworden: Inulin wird heute technisch aus Zichorienwurzel ( Cychorium
intibus) gewonnen. Es
kommt außerdem in der Schwarzwurzel, in der Wurzel von Löwenzahn in den
Wurzelknollen der Dahlie aber auch in der Zwiebel vor. Besonders erwähnt sei Topinambur (Helianthus tuberosus),
dessen inulinhaltige Wurzelknollen häufig auf
Biomärkten zu finden sind. Dank dieser Wurzelknolle haben französische
Auswanderer in Kanada im 16. Jh. eine Hungersnot überlebt. Sie kannten diese
Pflanze von den Indianern, die sie anbauten. Sie stammt aber wohl eher aus dem
Süden der Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Wunderknolle schickten sie
1610 nach Frankreich, wo die süßlich schmeckende Knolle schnell auf Interesse
stieß. Ein an den Vatikan geschickte Pflanze wurde vom Gärtner dort als girasole (ital. Sonnenblume) articiocco
bezeichnet; aus diesen Bezeichnungen haben sich die englischen Namen Jerusalem Artichoke und Girasol entwickelt.
Der Topinambur wurde im 17 Jh. als Nahrungs- und Futtermittel geschätzt. Seit
Mitte des 18.Jh. wurde sie von der
ergiebigeren und lagerfähigen Kartoffel
verdrängt.
Inulin kann als Stärkeersatz bei
Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) dienen, da es im Dünndarm nicht resorbiert
wird und der Mensch nicht über das abbauende Enzym Inulinase
verfügt, beeinflusst Inulin den Blutzuckerspiegel nicht. Es gelangt als
Ballaststoff in den Enddarm, wo es bakteriell zu Milchsäure und Kohlendioxid
(Gas) abgebaut wird. Das saure Milieu im Darm hemmt kranheitserregende
Bakterien. Das gleichzeitig gebildete Gas kann bei empfindlichen Menschen zu
Flatulenzen führen.
Topinamburknollen hatten
Bedeutung für die Herstellung von Fruchtzucker (Fructose). Das Einengen von Topinamburpresssaft,
der auch etwas Inulinase enthält, führt zur Hydrolyse
des Inulins und weiter zur Konzentrierung zu einem etwa 90%igem Fruktosesirup, der als alternatives Süßungsmittel
für Diabetiker dient, da Fructose den Blutzuckerspiegel nicht beeinflusst. Die
Fructose entspricht der 1,5 bis 2 fachen
Süßkraft von Saccharose (Rüben- oder Rohrzucker). Topinamburknollen
hatten Bedeutung für die Fruchtzuckerherstellung.
Inulin kann nicht direkt der
alkoholischen Gärung unterworfen werden. Daher muss dem Maischvorgang
der Topinamburknolle zur Hydrolyse besondere
Beachtung (z.B. Temperatur und pH ) geschenkt werden. Auch sind besondere Enzym-
und Hefepräparate im Handel. Durch Destillation der vergorenen Maische wird Topinamburschnaps erhalten. Der Anbau von Topinambur
erfolgt hauptsächlich in Baden, ebenso die Schnapsherstellung
Insulin
Dem Wort Insulin ist die Herkunft von
dem Begriff Insel (lat. insula) leicht anzusehen. Da
es sich um eine Substanz handelt, stellt sich die Frage von welcher Insel ist
die mit Insulin bezeichnete Substanz.
Eine Insel ist ein abgegrenzter
Bereich. Einen solchen entdeckte der Mediziner Paul Langerhans (1847-1888) 1869 im Gewebe der
Bauchspeicheldrüse. Diese Inseln tragen seither seinen Namen. Josef von Mehring
(1849.1908) und Oskar Minkowski (1858-1931)
entfernten einem Hund die Bauchspeicheldrüse und lösten dadurch Diabetes aus.
Damit rückten die Langerhans’schen Inseln in den
Fokus des wissenschaftlichen Interesses. In ihnen wurde ein endokrines Gewebe
erkannt, das bei allen Säugetieren gefunden wurde Der Name Insulin taucht
erstmals 1909 bei dem belgischen Pathologen Jean de Meyer (1878-1934) für
die noch unbekannte Substanz auf. Der
englische Physiologe E.A. Sharpey-Schafer (1850-1934)
wies den Zusammenhang von Diabetes und dem Fehlen von Insulin nach. (Auch er verwendet die Bezeichnung
Insulin). 1921 gelang Frederik G. Banting (1891-1941) und seinem Assistenten
Charles Best (1899-1978) von der Universität Toronto die Extraktion von
Insulin, das sie Isletin nannten. Schon 1916 war es
Nicolae Paulescu (1869-1931) in Bukarest gelungen
Insulin aus Pankreasgewebe zu gewinnen, veröffentlichte seine Ergebnisse aber
erst 1921 in Paris. 1923 ging der Nobelpreis für Physiologie und Medizin für
die Entdeckung des Insulins an Frederik Banting (1891-1941) und dem schottisch-canadischen
Physiologen James Richard Macleod (1876-1935), der erst in den USA und später
auch in Toronto arbeitete. Die Vergabe des Nobelpreises war nicht unumstritten,
da Charles Best nicht berücksichtig worden war. 1928 gelang Oskar Wintersteiner
(1898-1971) der Nachweis, dass Insulin ein Protein ist. Frederick Sanger
geb.1918 konnte die komplette Aminosäuresequenz des
Insulins bestimmen und erhielt dafür 1958 den Nobelpreis für Chemie. 1963
gelang Helmut Zahn in Aachen die erste Synthese von Insulin. Die Forschung an
Insulin geht weiter: Inzwischen kann es gentechnisch hergestellt werden.
Menschliches Insulin (Abb.2) ist aus
51 Aminosäuren aufgebaut, die auf 2 Ketten (A und B) verteilt sind, die A-Kette setzt sich aus 21 Aminosäuren
zusammen, die B-Kette aus 30. Insgesamt enthält Insulin 3 Disulfidbrücken.
Mit Zink-Ionen bildet es u. a. Hexamere
(Komplexbildung), wirksam ist jedoch nur das Monomere. Insulin hat eine
biologische Halbwertzeit von 5 Minuten. Mit dem Gegenspieler Glucagon (ebenfalls ein Polypeptid)
bildet es einen Regelkreis zur Regulierung des Blutzuckerspiegels.
Die ersten
Insulinpräparate, mit denen Menschen behandelt wurden, wurden aus den
Bauchspeicheldrüsen von Schlachtrindern
hergestellt. Die Proteinstruktur
des Rinderinsulins unterscheidet sich an drei Stellen vom menschlichen Insulin.
Bauchspeicheldrüsen von Schweinen waren die zweite Quelle für die
Insulinextraktion. Das Insulin aus Schweinepankreas unterscheidet sich nur in
einer Aminosäure vom menschlichen Insulin.
Abb.1
Insulin
Abb.2
1 Ich danke Herrn Professor Dr. H.
Olbrich, Berlin, langjähriger Leiter des Zuckermeseums
Berlin, für die Anregung zu diesem Artikel.