Äther und Alkohol
(Wolfgang Werner - Münster)


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Überträgt man die Frage: wer war zuerst da, die Henne oder das Ei?  auf Äther und Alkohol, so ist man, aus der Kenntnis des Zusammenhangs der beiden Substanzen, ohne Zögern bereit dem Alkohol die Priorität zu geben.  Der Begriff Äther hat seinen Ursprung in der Philosophie  der Natur im antiken Griechenland, und ist über die Physik in die Chemie gelangt.

Die Bildung von Äther erfolgt aus zwei Molekülen Alkohol unter Wasseraustritt (s. Abb.1). Die Reaktion wird durch Säure (also H+) katalysiert.
 

Abb.1

Man nimmt dazu Schwefelsäure, die gleichzeitig auch das gebildete Wasser bindet, d.h. aus dem
Gleichgewicht entfernt und so dieses in Richtung Ätherbildung verschiebt.
Der so erhaltene Äther wurde Schwefeläther genannt. Valerius Cordus (1515-1541, Arzt und Botaniker)  stellte ihn 1540 nach diesem Verfahren her und nannte ihn Oleum vitrioli dulce. Erst 1800 hat der Berliner Apotheker Valentin Rose der Jüngere nachgewiesen, dass Schwefeläther keinen Schwefel enthält. Bei Verwendung von Essigsäure statt Schwefelsäure, wurde Essigäther  erhalten (s. Abb.2).
 

Abb.2

Aus Essigäther ist in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Begriff Ester geworden. Mit Buttersäure erhielt man entsprechend Butteräther. Aether hydrochloricus, Salzäther oder Chlorwasserstoffäther wurde noch lange als Chloräthyl bezeichnet.Wir rechnen diese Substanz nicht mehr zu den Äthern. Der Begriff gemischter Äther, der zunächst auch für den Essigäther verwendet wurde, hat sich zur Bezeichnung für einem Äther aus zwei verschiedenen Alkoholen verengt.
Die bei der Einwirkung von Schwefelsäure auf Alkohol entstehende farblose und kaum fassbare Substanz (Sdp. 35°C) wurde ab 1757 als Äther bezeichnet. Die anaesthetische Wirkung wurde 1842 beobachtet und 1846 von Jackson und Morton zur Narkose verwendet. Auch Christian Friedrich Schönbein (1799 1868, Prof. in Basel) muß über flüssigen Äther verfügt haben, denn er berichtet 1860 in einer Notiz über HO2-haltigen Äther, von aktiven Sauerstoff. Dies ist der erste Hinweis auf die Bildung von Ätherperoxid durch Autoxidation. (Es bilden sich zunächst Hydroperoxide).

Äther der Griechen
Als Äther bezeichneten die alten Griechen den blauen Himmel, die reine Luft, die die Götter atmen und in der die Sterne schweben. Die untere, unreine Luftzone, in der wir leben, ist aer, uns bekannt z. B. von Air France und den Namen vieler anderer Luftfahrtgesellschaften.
 Das Adjektiv ätherisch für himmlisch, zart, vergeistigt erscheint im deutschen Sprachgebrauch im 18. Jahrhundert. Der Begriff ätherische Öle entspricht diesem Verständnis.
Im 5. Jahrhundert v. Chr. fasste der griechische Naturphilosoph Empedokles (490
435) in Sizilien verschiedene Theorien der Entstehung und Zusammensetzung der Materie zur Vier-Elemente-Lehre (Abb.3) zusammen: Danach sind die Grundelemente: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Platon (428 348) ordnete ihnen regelmäßige Körper zu, Aristoteles (384 322) Eigenschaften (s. Abb. 3). Später hat Aristoteles den Äther als 5. Element (Quintessenz) hinzugefügt.

Vier-Elemente-Lehre

Element

Regelmäßiger Körper (Platon)

Eigenschaften (Aristtoteles)

Feuer

Tetraeder

Warm + trocken

Wasser

Ikosaeder*

Kalt und feucht

Luft

Oktaeder

Warm und feucht

Erde

Würfel

Kalt und trocken

* Körper mit 20 Flächen, aufgebaut aus gleichseitigen Dreiecken
Abb.3

Äther in der Physik
Huygens (1626
1695) interpretierte 1690 das Licht als Wellenphänomen und führte Äther als Trägermedium ein, in Analogie zur Luft für die Ausbreitung der Schallwellen. Der Lichtäther sollte die feste Materie wie den Raum des Weltalls durchdringen. Die Lichtäther-Hypothese wurde experimentell durch den Interferenz-Versuch von Michelson und Morley 1887 widerlegt. Sie wäre auch mit Einsteins Relativitätstheorie nicht vereinbar.
 In reinem Lexikon von 1898 wird angegeben, dass das spezifische Gewicht des Lichtäthers
  etwa 15 Trillionen mal kleiner, als das der Luft sei.
Auch für die Ausbreitung von elektrischen Wellen, als Basis für den Rundfunk (1899) wurde ein Äther postuliert, der sich in diesem Bereich in der deutschen Sprache teilweise umgangssprachlich erhalten hat.

Alkohol
Das Ausgangsprodukt Alkohol für den chemischen Äther hat seinen Ursprung in der Alchemie des Mittelalters.
Im 12. Jahrhundert entwickelte sich im Umfeld der medizinischen Schule von Salerno (Süditalien) die Destillation _(lat. destillare, herabträufeln) von Wein. Man erhielt aqua vini (Wasser des Weines). Flüchtige Bestandteile wurden in alchemistischer Tradition als Geist bezeichnet: spiritus vini (Weingeist), das Wesentliche des Weines. In der USP gab es 1898 eine Monographie Spiritus vini Gallici (aus Frankreich). Die deutsche Entsprechung ist der Franzbrantwein. 1526/1527 verwendete Paracelsus (um 1490-1541) die Bezeichnung alkohol spiritus vini, wobei alkohol aus dem alchemistischen Gedankengut stammt und etwas Wesentliches bezeichnet. Dieses Wort leitet sich von arabisch al khol, gepulverten Grauspiesglanz (Sb2S3) ab, der teils noch heute in Ägypten und Marokko zur Betonung der Augenbrauen und Wimpern verwendet wird; al ist der Artikel.
Das Destillat wurde wegen seiner Brennbarkeit auch als aqua ardens (brennendes Wasser) bezeichnet, was sich im Portugiesischen als aguardente erhalten hat. Bei dem Feuerwasser, das bei der Eroberung des nordamerikanischen Kontinents zu trauriger Berühmtheit gelangt ist, war wohl eher das Brennen in der Kehle für die Namensgebung ausschlaggebend. Wegen der ausschließlich medizinischen Verwendung war die Bezeichnung aqua vitae (Wasser des Lebens) häufig und hat sich als eau de vie (französisch) unf aquavit (dänisch) erhalten. Auch das gälische (keltische) uzisghe beata hatte diese Bedeutung (Lebenswasser). Die Deformation dieser Bezeichnung durch englische Soldaten zu Wisky ist eher bekannt. Sehr nüchtern klingt dagegen Wodka (polnisch und russisch, Wässerchen), dessen Alkohol meist aus der Vergärung von verzuckerter Kartoffelstärke stammt, und das Aussehen des Destillats widerspiegelt.
Im 17.Jh. führte der übermäßige Genuss des Destillats aus vergorener Zuckerrohrmelasse auf der englischen Antilleninsel Barbados zu Tumulten, die mundartlich rumbullion genannt wurden. In der Kurzform Rum ist dieses Getränk bekannt.
Ab dem 14.Jh. wurde ausgehend von dem für die Destillation erforderlichem Feuer (brennen), der Begriff Weinbrand (engl. Brandy) geläufig.
Das Ausgangsmaterial ist teilweise in den Namen der alkoholischen Getränke erkennbar, wie z. B. Tester (Rückstand von der Kelterung der Weintrauben) (franz. marc, ital. Grappa) oder Kirschwasser. Kornbranntwein ist heute verkürzt zu Korn und wird aus Getreidekörnern hergestellt (Gerste, Roggen, Weizen). Auch Whisky ist ein
Korn; der schottische Whisky wird aus Gerste hergestellt, der kanadische Whiskey aus Mais. Die geographische Herkunft ist wie im Falle Cognac (Stadt in der Charente, nördlich der Mündung der Garonne) zum Synonym für Weinbrand geworden. Calvados (Region in Nordfrankreich) ist destillierter Apfelwein.
Wasserlöslicher Zucker, der in der Pflanze als Assimilationsprodukt zirkuliert, wird als unlösliche Stärke gespeichert. Bei der Keimung wird durch das Enzym Diastase die Stärke in Zucker zurückverwandelt, und ist so für die Pflanze verfügbar gemacht, aber auch für die alkoholische Gärung. Gekeimte Gerste bezeichnet man als Malz, einem Ausgangsmaterial für die Bierbereitung. Mit Malz wird auch Kartoffelstärke für die alkoholische Gärung aufgeschlossen.

Destillation
Beim Erhitzen einer alkoholischen Lösung (z. B. Wein) erhält man bei der Kondensation der entweichenden Dämpfe den Rohbrand, der etwa 80% Alkohol enthält. Bei erneuter Destillation, die man Rektifikation (lat. regere, gerade richten), trennt man zunächst den Vorlauf, der die niedriger siedenden Kompoinenten enthält, hauptsächlich Acetaldehyd (Sdp. 21°C) (Zwischenprodukt der alkoholischen Gärung) und Methanol (Sdp. 65°C) (enzymatische Bildung aus Pektin).Im Haupt- oder Mittellauf geht bei 78,15°C ein azeotropes (griech. zein, und tropos, wenden) Gemisch aus 95,57% Alkohol und 4,43% Wasser über. Diese auch Primasprit genannte Fraktion, ist für Trinkzwecke geeignet. 100%iger Alkohol siedet bei 78,4° C, Wasser bei 100°C. Bei höherer Temperatur folgt der Nachlauf mit dem Fuselöl, das auf dem Wasser schwimmt. Fuselöl ist hauptsächlich Amylalkohol. Den Namen Amylalkohol  prägte
C. W. Scheele 1785, der Kartoffelstärke vergoren hatte und annnahm, dass der Ursprung des Fuselöls in der Stärke( lt. amylum) liege. Der Gärungsamylalkohol (Abb.4)

Abb.4

 besteht zu aus 85% 3-Methyl-1-butanol und zu 15% aus 2-Methyl-1-butanol. Diese beiden Amylalkohole entstehen aus den Aminosäuren Leucin und Isoleucin. Mit dem pflanzlichen Ausgangsmaterial kommen auch Eiweise, also Aminosäuren, in die zu vergärenden Lösungen.
Umgangssprachlich bezeichnet Fusel ein alkoholisches Getränk schlechter Qualität. Vielleicht ist der Grund eine wenig sorgfältige Rektifikation, d. h. zur Erhöhung der Ausbeute wurde ein Teil des Nachlaufs dem Hauptlauf zugeschlagen. Die Herkunft des Wortes Fusel ist nicht offensichtlich; lat. fusilis, geschmolzen, flüssig scheint keinen Hinweis zu geben. Fusel soll aus dem Rotwelschen stammen, einer Geheimsprache, die mit deutsch und jiddisch verwandt ist. Da auch die Alchemie als Geheimwissenschaft gilt, scheint die Verbindung in den Bereich der Chemie gegeben. Im Rotwelschen deuten die Kombinationen mit
as, -os und us auf Wasser hin: Wir kennen z. B.: nass, Flosse und Fluss. Demnach könnte es sich um die zusammengegossenen Reste der Brantweinherstellung handeln. Als Chemikalie ist der Gärungsamylalkohol als gesundheitsschädlich zu bezeichnen. Für den Alkohol zu Trinkzwecken ist keine entsprechende Kennzeichnung vorgeschrieben. Methylalkohol dagegen ist toxisch. Spuren der Amylalkohole tragen mit Essifsäureethylester (auch in Spuren) zum typischen Aroma alkoholischer Getränke bei.
Ob die Babylonier und die Ägypter die Destillation kannten, und von ihnen das Wissen zu den alexandrinischen Alchemisten und später über die arabischen und persischen Naturforscher und Ärzte zur Alchemie in Europa kam,ist strittig. Sicher ist, dass beide Völker Bier und Wein kannten.

Nomenklatur
Für den aus der Gärung zuckerhaltiger Lösungen hervorgegangen Alkohol gab es im Laufe der Zeit verschiedene Namen, der von Paracelsus (s.o.) hat sich durchgesetzt, wenn auch seine Vorstellung, die ihn zu dieser Benennung geführt hat, heute nur schwer nachvollzogen werden kann. Um 1850 ist Alkohol zur Gruppenbezeichnung geworden.
Das griechische hyle bedeutet Stoff, aus dem ein Ding gemacht ist. Der Zusammenhang von Äther und Alkohol führte zu Äthylalkohol, und damit zu Äthyl für die -C
2H5 Gruppe. Die Änderung der Rechtschreibung zu Ether und Ethyl in der deutschen Nomenklatur ist 1975 empfohlen worden zur Vereinheitlichung mit der englischen und französischen Schreibweise.

Met und Amethyst
Aus heutiger Sicht würde man zuerst nach der Namensbildung von Methanol als erstem Glied der homologen Reihe fragen. Von 1611 (Boyle) bis 1920 wurde Methylalkohol fast aus schließlich durch trockene Destillation von Holz unter Ausschluß von Luftsauerstoff hergestellt. Das Destillat enthielt 1 3% Methylalkohol, etwa 10% Essigsäure und 3 5% Aceton. Daher findet man in älteren Büchern die Bezeichnung Holzgeist. Da der toxische Methylalkohol besonders stark zu Trunkenheit führt, ist die Verbindung zu griech methys, trunken naheliegend.
Das indogermanische Wort Met bezeichnet bei den Germanen eine vergorene Honiglösung. Bei den Griechen ist daraus methy, Wein und methys, trunken geworden. Der Präfix a- bezeichnet die Verneinung. Der Halbedelstein Amethyst,, Quarz (SiO
2) von hellvioletter Farbe (durch Fe4+), soll vor Trunkenheit schützen. Mit Wasser verdünnter Rotwein hat etwa die Farbe des Amethysts und macht nicht mehr trunken. Wahrscheinlich ist dies der Grund für den Aberglauben, dass Amethyst eine Schutzfunktion gegen Trunkensein ausübt.



VERS LA TRADUCTION EN FRANCAIS  (A.S. GOMEZ)