STICKOXIDE
Wolfgang Werner, Münster
Stickoxide oder genauer
Stickstoffoxide ist eine Sammelbezeichnung,
die auch als Formel NOX häufig
verwendet wird, ohne Wissen über die einzelnen Verbindungen und ohne Angabe
welches der 6 bekannten Stickoxide (Tab.1),
gemeint ist. Stickstoff kann in seinen Verbindungen mit Sauerstoff die
Wertigkeiten von +1 bis +5 annehmen.
Tabelle 1
Wertigkeit von
Stickstoff |
Summenformel |
Bezeichnung |
Säureanhydrid |
Aggregatzustand |
+1 |
N2O |
Distickstoffmonoxid
(Lachgas) |
- |
gasförmig |
+2 |
NO |
Stickstoffmonoxid |
- (schnelle
Reaktion mit Spuren O2 4NO2
) |
gasförmig |
+3 |
N2O3 |
Distickstofftrioxid |
der salpetrigen
Säure |
gasförmig |
+4 |
NO2 |
Stickstoffdioxid |
Gemischtes
Säureanhydrid von salpetriger Säure und Salpetersäure (Disproportionierung) |
gasförmig
(rotbraun) |
+4 |
N2O4 |
Distickstofftetroxid |
Gemischtes
Säureanhydrid von salpetriger Säure und Salpetersäure (Disproportionierung) |
gasförmig (rotbraun) |
+5 |
N2O5 |
Distickstoffpentoxid |
Säureanhydrid der
Salpetersäure |
fest (farblos) |
Stickoxide
sind stark endotherme Verbindungen, die sich aus den Elementen nur unter
Energiezufuhr bilden. In der Atmosphäre (Luft) koexistieren Stickstoff (78%)
und Sauerstoff (21%), ohne dass unter normalen Bedingungen (d.h. 1 Atmosphäre
Luftdruck und einer Temperatur von 20°C) eine Reaktion beobachtet wird. Die
Bildung von Stickoxiden ist eine stark endotherme Reaktion.
Von
einfachen Stickoxiden zur Salpetersäure
Bei der Temperatur des elektrischen
Lichtbogens von ca. 3000°C bildet sich NO Stickstoffmonoxid, das sofort mit Sauerstoff zu NO2
Stickstoffdioxid weiterreagiert. Dieses dimerisiert zu rotbraunem N2O4
.
Auf der Bildung von Stickstoffmonoxid mit Hilfe des
elektrischen Lichtbogens beruht die Synthese von Salpetersäure nach Birkeland
(Professor der Physik in Oslo) und Eyde aus dem Jahr 1903. Wegen des hohen
Verbrauchs von Energie war dieses Verfahren nur in Ländern mit billiger
Wasserkraft wie in Norwegen und in der Schweiz möglich. Diese Bildung von
Stickstoffmonoxid wird auch als Luftverbrennung bezeichnet. In Wasser mit
Sauerstoff reagiert Stickstoffdioxid zu Salpetersäure.
N2
+ O2 D 2NO
2NO+
O2 4 NO2
2NO2D N2O4
4NO2
+O2 + 2H2O4 4 HNO3
Gemische von NO und NO2 entstehen auch bei
Oxidationen mit konzentrierter Salpetersäure, und werden als nitrose Gase
bezeichnet.
Abgesehen von Distickstoffmonoxid N2O
(Lachgas) und Stickstoffmonoxid lösen sich die Oxide von Stickstoff in Wasser
unter Bildung von Säuren (salpetrige Säure und Salpetersäure), sind also
Säureanhydride. (s.Tab.1)
Die elektrische Luftverbrennung zu
Beginn des 20. Jahrhunderts war die erste Etappe der technischen
Salpetersäureherstellung. Da Stickstoffmonoxid das Schlüsselprodukt für die
Herstellung von Salpetersäure ist entwickelte
Wilhelm Ostwald (1853-1932) 1901 die Verbrennung von Ammoniak zu NO zur
technischen Reife.
Der
Franzose Frédéric Kuhlmann (1803-1881) hatte diesen Weg schon 1838
vorgeschlagen, doch stand Ammoniak erst nach dem Haber-Bosch-Verfahren (Patent
1910) in großen Mengen zur Verfügung.
Da es sich bei den Stickoxiden um
endotherme Verbindungen handelt, ist es nicht verwunderlich, dass sie bei
höheren Temperaturen und an Katalysatoren, z. B. im Abgas von Benzinmotoren in
die Elemente zerfallen. Im Zusammenhang damit steht die
Gefahrstoffkennzeichnung „brandfördernd“. d.h. Verbrennungsvorgänge werden
durch Stickoxide aufrecht erhalten.
Stickoxide
in Atmosphäre und Stratosphäre
In Verbrennungsmotoren werden
Kohlenwasserstoffe (z. B.: Benzin u. Dieselkraftstoff) nach Zumischung von Luft
zur Fortbewegung verbrannt; bei den erreichten Temperaturen (ca.2300° C) bildet
sich auch NO. Der Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren ist bei höheren
Temperaturen günstiger. Mit steigenden Temperaturen nimmt aber die gebildete
Menge Stickstoffmonoxid NO exponentiell zu. In der Atmosphäre reagiert das
Stickstoffmonoxid zu mit Sauerstoff Stickstoffdioxid NO2 , das mit
Wasser salpetrige Säure und Salpetersäure bildet, die für den „sauren Regen“
verantwortlich sind.
2
NO2 +H2O4 HNO2
+HNO3
Ein Verfahren zur Entfernung von
Stickstoffmonoxid in Feuerungsanlagen (Müllverbrennung, Gasturbinen) beruht auf
der Zugabe von Ammoniak der mit NO an Katalysatoren zu Wasser und elementarem
Stickstoff (Synproportionierung) reagiert.
3
NO +2 NH34 5/2 N2 +3H2O
Distickstoffmonoxid (Lachgas) war
eines der ersten Narkosemittel (1844). Die Herkunft der Bezeichnung Lachgas ist
umstritten. Verwendung findet Lachgas unter der europäischen Bezeichnung E 942 u.a. als Treib- und Aufschäummittel für
Schlagsahne.
Die Bildung von Lachgas ist nicht nur
anthropogen: Wenn im Boden Sauerstoffmangel herrscht, kann Stickstoffdünger
auch zu Lachgas abgebaut werden. Ebenso geben verschiedene im Wasser lebende
Kleintiere (z.B.: Insektenlarven), die vornehmlich Detritus verwerten, Lachgas
ab. Belastete Gewässer enthalten außerdem häufig Nitrat aus Abwässern und
Düngung.
Beim UV-induzierten Abbau von Lachgas
zu NO in der Stratosphäre, kann auch dieses und auch das sich daraus bildende
NO2 Ozon abbauen. Mit O— bezeichnet man atomaren Sauerstoff (Radikal).
NO
+ O3 + hn 4 NO2 + O2
NO2
+hn 4 NO +O—
N2O
+ O— 4 2 NO
2NO+
O2 4 2NO2
Lachgas ist ein Treibhausgas mit einem
Treibhauspotential von 298 CO2 - Äquivalenten, d.h. es trägt
erheblich zum Treibhauseffekt bei. Die
mittlere Verweildauer in der Atmosphäre beträgt 114 Jahre.
Unter medizinischen Aspekten muss das
als Atemgift eingestufte Stickstoffmonoxid erwähnt werden, es ist der
eigentliche Wirkstoff von Nitroprussid-Natrium wie auch der organischen Nitrate
wie z.B.Nitroglycerin (Glyceroltrinitrat). Für den Nachweis der Rolle von NO
als Botenstoff im Organismus ist 1998 der Nobel- Preis für Physiologie und
Medizin an 1998 an Fuchgott, Ignarro et
Murad. verliehen worden.